Die „Goldschmieds Frieda“ und die „Dörnhöfers Anna“
(Quelle: Horst Schirmer – eigener Bericht)
Die Goldschmieds Frieda und die Dörnhöfers Anna – beide Damen keine gebürtigen Lochauerinnen – waren zwei alte hier wohnende „Originale“. Die eine – in meiner Nachbarschaft zur Linken wohnend – hatte das einzige Wirtshaus im Ort zusammen mit einem Kaufladen inne, während die andere – ebenfalls in meiner Nachbarschaft, jedoch zur Rechten wohnend, einen Kaufladen mit Getränkedepot nebenher zur Landwirtschaft betrieb. Aufgrund ihrer Konkurrenzsituation waren beide Frauen nicht besonders gut aufeinander zu sprechen, wobei der Geschäftsneid nach meinem Dafürhalten eher von der „Goldschmieds Frieda“ ausging.
Einkaufen ging man natürlich in den beiden Dorfläden. Nur musste man eben penibelst darauf acht geben, von der Einen nicht gesehen zu werden, wenn man gerade bei der Anderen einkaufen wollte.
Beide Geschäftsfrauen waren total unterschiedlichen Charakters. Während die Goldschmieds Frieda beim Verkauf in ihrem Laden immer auf ihren Vorteil bedacht war und sich deshalb schon mal beim Wechselgeld zu ihren Gunsten verrechnete, ein Stück der gekauften Ware nicht mit einpackte und auch niemals den Rechnungsbetrag nach unten abrundete sowie eher selten mal eine Kleinigkeit als Geschenk mitgab, war es bei der Dörnhöfers Anna gerade umgekehrt. Sie betrieb ihren Kaufladen eigentlich nur, um abends nach dem „Abstallen“ (dann kamen nämlich die meisten Dorfbewohner erst zum Einkaufen) mehr oder weniger längere Gespräche mit den Leuten führen zu können, um so immer über die aktuellsten Gegebenheiten im Dorf informiert zu sein. Meist wurden die Verkaufspreise auch großzügig nach unten abgerundet, so dass man sich immer fragen musste, ob die Anna eigentlich noch etwas an ihrem Geschäft verdient. Zu guter Letzt bekam man kurz vor dem Heimgehen auch immer noch etwas geschenkt (meist etwas zum Naschen). Mit Bewunderung denke ich heute manchmal an diese Frau zurück, v.a. wenn ich darüber nachdenke, dass wir Kinder ja meistens während der Stallarbeit zur Anna kamen, um für ein paar Pfennige etwas zum Naschen einzukaufen, und diese dann immer ihre Arbeit wegen einem kleinen Schokoriegel, wie Duplo oder Snickers, unterbrechen musste. Man hat ihr aber nichts angemerkt. Sie tappte stets seelenruhig mit uns hinunter in ihren Laden, der sich im angrenzenden Wohnhaus Nr. 13 befand und gab uns das Gewünschte. Manchmal mussten wir die Anna auch erst aufwändig suchen gehen, wenn sie gerade im Schweinestall oder bei den Hühnern weit hinten im Garten weilte. Es kam auch nicht selten vor, dass man auch mal ein wenig warten musste, vor allem dann, wenn sie gerade ihrem Hans beim Melken einer Kalbin helfen musste oder plötzlich über dem Herrichten des Schweinefutters war und hierbei mit ihren Armen bis zum Ellbogen im Futtereimer rührte. Die Vorfreude auf das Naschen ließ uns aber diese kleine Unannehmlichkeit durchaus gut ertragen.
Nachdem die Anna eine gebürtige Oberpfälzerin war, hatte ihre Aussprache immer eine einprägende Wirkung auf mich. Nie werde ich ihre Antwort vergessen, als ich mich mal nach den Preis für ein Lebensmittel erkundigte: „dees koost fünfasiebez Pfeng“. Ein- oder zweimal in der Woche kam die Anna früh nach dem „Abstallen“ gern mal zu einem Plauderstündchen bei uns vorbei. Immer wenn sie bei der hinteren Haustür eintrat, rief sie schon laut: „Is wer dou“?
In Punkto Frische ging es da früher in beiden Läden nicht so sehr zimperlich zu. Abgesehen davon, dass seinerzeit überhaupt kein Ablaufdatum auf den Lebensmitteln vermerkt war, fragte auch keiner danach. Die Ware war einfach dann nicht mehr genießbar, wenn sie schimmelig war oder gestunken hat. Oftmals waren die Lebensmittel auch hart (besonders Saisonartikel wie Lebkuchen, Zitronat oder Osterhasen können schon mal vom Vorjahr gewesen sein), aber durchaus meistens noch genießbar. Manchmal kam es auch vor, dass man mal einen Artikel zurückbringen musste, weil er verdorben war oder weil eine Maus ein Eckchen abgenagt hatte. Dann bekam man auch ohne weiteres Ersatz geleistet.
Jeden Dienstagabend war bei der Anna ein ständiges Kommen und Gehen. Hintergrund war, dass sie wöchentlich an diesem Tag mit frischem Obst und Gemüse von der Handelskette Edeka beliefert wurde. Da konnte man sich bei günstigen Preisen mit frischen Produkten eindecken. Es wird ja behauptet, dass die Anna ihre Verkaufspreise immer von der Einkaufsliste ablas. Jedenfalls hat sie immer dort nachgesehen, wenn sie gerade mal einen Preis nicht im Kopf hatte. Ob man allerdings auf diese Weise etwas verdienen konnte, ist sicherlich sehr fraglich.
Erwähnenswert ist da auch noch, dass die Goldschmieds Frieda das öffentliche Telefon in Lochau inne hatte, d.h. man musste zum Anrufen dorthin gehen und wenn man angerufen wurde, musste die Frieda den gewünschten Gesprächspartner holen oder auch einfach nur den Inhalt des Gespräches ausrichten (wurde auch schon mal vergessen). Nicht selten musste man sich über die Anzahl der Gebühreneinheiten wundern, wenn nach dem Verlassen des Telefonstübchens zwecks Bezahlung von der Frieda die Einheiten am Zähler abgelesen wurden. Meist hatte sie hierzu ihre Brille vergessen aufzusetzen, so dass die Augen blinzelnd erst mal genau ausgerichtet werden mussten und dann gingen auch noch die zittrigen Hände am Gebührenzähler erst mal ein bisschen nach links und dann wieder etwas nach rechts, bis dann schließlich die richtige Einheitenzahl festgestellt war. Bevor der nächste telefonierte musste der Gebührenzähler per Hand dann wieder auf „Null“ zurückgestellt werden. Die Dörnhöfers Anna gehörte zu denjenigen in Lochau, die mit als erstes einen eigenen Telefonanschluss hatte, vielleicht auch infolge der Tatsache, dass die Frieda ja das öffentliche Telefon inne hatte und sie unmöglich zum Telefonieren dorthin gehen konnte.
An Gemeinsamkeit hatten beide Damen, dass sie sehr gerne mit den Ortsbewohnern plauderten. Dies mag aufgrund ihrer vielen Kontakte zu den Lochauern nicht verwundern. Beide hatten einen Laden inne und die Frieda darüber hinaus noch das Dorf-Wirtshaus und das öffentliche Telefon dazu. An eine Begebenheit erinnere ich mich auch noch sehr gut im Zusammenhang mit der Frieda. Als junge Burschen mussten wir natürlich auch mal das Rauchen ausprobieren. Uns fiel scheinbar nichts Besseres ein, als dies ausgerechnet im Holzlege-Schuppen der Frieda, welcher hinter ihrem Haus im Garten lag, zu vollbringen. Offensichtlich hat sie den Qualm wahrgenommen oder vielleicht auch gerochen und uns gleich einen Besuch abgestattet und beschimpft. Sie sagte uns, dass sie unseren Eltern nichts davon erzählen würde, wenn wir hier nur gleich verschwinden würden. Wir taten dies sofort, aber leider wusste es am Abend dennoch auch schon ein Jeder im Dorf.
Auch folgende Begebenheit soll nicht unerwähnt bleiben. Wenn wir, die Dorfjugend, uns mal von der Dörnhöfers Anna einen Kasten Bier holten, wurden wir immer deutlich von ihr darauf hingewiesen, dass wir unbedingt ihre Flaschen wieder vollzählig zurückbringen müssen. Ein Flaschenpfand gab es ja damals noch nicht. Einmal rutschte aber den Trägern des Bierkastens nach einem Spaziergang während des Heimweges von der Gaskirche der Kasten aus der Hand und – wie sollte es anders sein – die Häfte der Bierflaschen ging zu Bruch. Keiner traute sich diesen halbleeren Kasten der Anna zurückbringen, denn die würde uns mit Sicherheit sehr beschimpfen und dies vermutlich auch unseren Eltern mitteilen, so dass nun guter Rat teuer war. Die Lösung war aber dann ziemlich schnell gefunden. Jeder wusste, dass die Goldschmieds-Frieda ihre leeren Bierkästen vor dem Haus im Biergarten bei der Linde stapelte. Jeder holte sich hier unbemerkt am Abend eine leere Flasche und kratzte bzw. wusch das Ettiket ab, so dass der Dörnhöfers Anna ihr Bierkasten wieder voll befüllt zurückgegeben werden konnte. Wie allerdings die Frieda diesen unnatürlichen Flaschenschwund ihrem Bierbrauer Magnus-Bräu in Kasendorf erklärte, ist uns nicht bekannt.
Beide Frauen haben ihre Läden mit zunehmender Verschlechterung ihrer Gesundheit Anfang der Achtziger Jahre aufgegeben. Eine Ära ging für uns Lochauer zu Ende.
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Vertrag zwischen dem Alladorfer Gastwirt und Bierbrauer Löhr und dem Tannfelder Zapfenwirt Müller wegen des Bierbrauens
(Quelle: Horst Schirmer – eigener Bericht)
>>> teils in Originalwiedergabe <<<
Es erscheinen im Amt Sanspareil Johann Friedrich Löhr aus Alladorf und der Viertelmann Johann Müller zu Tannfeld und bringen Folgendes vor:
Ich, Johann Friedrich Löhr, 25 Jahre alt, habe als der jüngste Sohn bei der Vermögensauseinandersetzung mit meinen Geschwistern Georg und Anna unter Hinzuziehung unserer Beistände und Anverwandten, nämlich Valentin Schreiner und Johann Friedrich Hösch aus Alladorf, dann Johann Löhr aus Litzendorf und dem Viertelmann Johann Müller aus Tannfeld das Wirtshaus zu Alladorf als meinen Anteil erhalten.
Von diesem Wirtshaus aus wird die Zapfenschenke zu Tannfeld Jahr aus und Jahr ein mit dem nötigen Bier versorgt. Es hat die Gerechtigkeit, dass der Eimer mit 61 Maß abgegeben wird und überdies der Zapfenwirt und Viertelmann Müller zu Tannfeld für jeden Eimer 15 fränkische Kreuzer Umgeld [Steuerabgaben] zu übernehmen hat.
Da der Bierkonsum außerordentlich stark ist und nach der bisherigen Erfahrung der jetzige Wirt in Alladorf mit der Anschaffung und dem Brauen seines eigens benötigen Bieres genug zu tun hat und folglich nicht im Stande ist, die Zapfenschänke in Tannfeld immer mit genügend Bier zu versorgen, so ist die Versorgung mit dem Bier dorthin immer öfters eine Beschwerde und bei einem Mangel an Gerste mehr Schaden als Nutzen.
Ich habe mich daher mit dem Viertelmann Johann Müller dahingehend verständigt, dass dieser sein benötigtes Bier, jedoch nur einzig und allein für den Ort Tannfeld unter Einbeziehung des dort erforderlichen Hochzeit-, Kindstauf- und Leichenbieres, selbst brauen und dafür 12 Gulden von dem auf meinem Wirtshaus lastenden beständigen alten Umgeld von jährlich 32 fränkischen Gulden für mich davon übernehmen solle.
Ich bin auch zufrieden und willige vollkommen hierzu ein, dass sich der Viertelmann Müller die Konzession zur Erbauung eines eigenen Brauhauses zu Tannfeld besorge, wobei er mir versprochen hat, 10 fränkische Gulden als Entschädigung ein für allemal zu geben. Jedoch bedinge ich mir ausdrücklich aus, dass derselbe jedes Gebräu für Alladorf in meinem Brauhaus verrichten müsse, solange ich das Alladorfer Wirtshaus besitze.
Ich, Johann Müller, Viertelmann zu Tannfeld, zeige hiermit ebenfalls an, dass ich mich mit allem einverstanden erkläre, was der Wirt Löhr verlangt und eingebracht hat. Außerdem verspreche ich die Übernahme des altes Umgelds in Höhe von 12 fränkischen Gulden zu erfüllen und niemanden sonst mit Bier zu versorgen, außer was in dem Ort Tannfeld selbst unter Einbeziehung des Hochzeit-, Kindstauf- und Leichenbieres zum Verbrauch nötig ist. Ich übernehme also von dem Löhr’schen alten Umgeld in Höhe von 32 fränkischen Gulden jährlich 12 Gulden davon und bezahle sodann auf das von mir gebraute Bier das neue Umgeld von 15 Kreuzer auf jeden Eimer, und zwar vom Ersten des künftigen Monats April angehend.
Nach Verlesung dieses Protokolls sind beide Kontrahenten mit allem einverstanden und geloben einander, diese Abmachung „steif, fest und unverbräuchlich“ zu halten und bitten diesen unter sich getroffenen Vergleich an die allerhöchste Behörde zur Ratifizierung einzusenden, was beide mit ihrer eigenhändigen Unterschrift bekräftigen.
Sanspareil, den 19. Februar 1798 / gez. Negelein
Zur Königlich Preußischen Obergebürgischen Höchstpreislichen Kriegs- und Domainen-Kammer zu Bayreuth, Contract-Sachen betreffend.
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Antwort vom 09. März 1798 von Bayreuth an das Amt Sanspareil / gez. Brendel:
Der zwischen dem Wirts- und Brauhausbesitzer Löhr zu Alladorf und dem Viertelmann Müller zu Tannfeld beim Amt angezeigte Vertrag konnte nicht genehmigt werden. Wenn der Löhr dem Müller gestatten wolle, in Alladorf sein Bier selbst zu brauen, müsse dieser auch das im Amt Sanspareil eingeführte Umgeld bezahlen und auch Löhr habe das auf seine Brauerei haftende beständige Umgeld in Höhe von 32 Gulden sowie auch das neue Umgeld von 15 Kreuzer pro Eimer Bier nach wie vor zu entrichten.
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Am 01. März 1798 findet sich der Viertelmann Johann Müller von Tannfeld beim Amt Sanspareil ein und bringt Folgendes vor:
Es wird dem Königlichen Amte erinnerlich sein, dass ich am 19. vorigen Monats mit dem Besitzer des Wirtshauses in Alladorf, Johann Friedrich Löhr, dahingehend einen Vertrag errichtet habe, dass ich als Zapfenwirt das von dessen Wirtshaus abzapfende nötige Bier bei demselben selbst brauen und den Ort Tannfeld unter Einbeziehung des Kindstauf-, Hochzeit- und Leichenbieres gegen Übernahme von 12 fränkischen Gulden von dem auf dessen Wirtshaus haftenden alten Umgeld von 32 Gulden versorgen dürfe. Auch hat besagter Wirtshausbesitzer Löhr eingewilligt, dass ich mir die Konzession zur Erbauung eines eigenen Brauhauses in Tannfeld besorgen dürfe und ihm dafür 10 fränkische Gulden als Entschädigung ein für alle mal bezahlen solle, solange derselbe aber das Wirtshaus in Alladorf besitzt, alles von mir benötigte Gebräu bei ihm brauen solle.
Ich erachte es als ratsam, bereits jetzt um die Konzession zur Erbauung eines eigenen Brauhauses nachzusuchen, um mich bei Zeiten auf den eintreffenden Fall vorzubereiten, dass Löhr mit seinem Wirtshaus in Alladorf eine Veränderung vornehmen möchte und dann in Alladorf nicht genug gebraut werden könne und deshalb immer öfter Biermangel vorherrschen wird. Durch Verstärkung der Brauerei wird ein großer Nutzen zuwachsen und ich würde auch sogleich nach erfolgter Aufrichtung des eigenen Brauhauses die darauf lastenden höchstherrschaftlichen Abgaben entrichten. So bringe ich hiermit die Bitte vor, wegen meines Gesuches um die Konzession zur Erbauung desselben von Amts wegen Bericht an die allerhöchste Behörde zu stellen und mich bei diesem auf den Nutzen allerhöchster Herrschaft abzielenden Vorhaben zu vertreten.
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Antwort aus Bayreuth vom 09. März 1798:
Am 09. März 1798 antwortet die Königlich Preußische Obergebürgische Höchstpreisliche Kriegs- und Domainen-Kammer zu Bayreuth, Geheimrat Brendel, dass das Ersuchen des Viertelmanns und Zapfenwirts Johann Müller zu Tannfeld um die Konzession zur Erbauung eines Brauhauses in Tannfeld ein für allemal nicht genehmigt wird.
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Vorsprache des Johann Müller am 14. April 1798 im Amt Sanspareil:
Am 14. April 1798 bittet der Viertelmann und Zapfenwirt Johann Müller zu Tannfeld nochmals alleruntertänigst um allergnädigste Konzession zur Erbauung eines Brauhauses daselbst.
Nach dem Inhalt des mir am 26. März im Königlich Wohllöblichen Kammeramt Sanspareil mitgeteilten allergnädigsten Kammer-Entscheids soll mein Vorhaben ein für alle mal nicht stattfinden. Allerdings habe ich Bedenken mit dieser anderen untertänigsten Vorstellung übereinzustimmen und ich würde das Ersuchen auch nicht von neuem wagen, wenn mich nicht erwägungswürdige Hauptumstände dazu angetrieben hätten.
Es ist bereits meinem Vorgänger, dem Zapfenwirt Eberhardt Walther, im Jahr 1725 die Konzession zur Erbauung einer eigenen Brauerei gnädigst erteilt worden. Lediglich deswegen, weil der damalige Wirt Häffner zu Alladorf mit allerhand Einwendungen und Protestaktionen dagegen vorging und er sich weigerte, die auf solche Braugerechtigkeit gelegt gewesenen 2 fränkische Gulden jährliche herrschaftlichen Abgaben zu übernehmen und auch die von Walther für die Konzession bereits bezahlte Entschädigung von 60 Gulden zu ersetzen, ist diese Konzession zum bittersten Schaden des Walters gnädigst wieder aufgehoben worden, obwohl derselbe bereits zu bauen anfing und einen Felsenkeller mit großen Kosten hergestellt hatte.
Damals waren in Alladorf 2 Malzhäuser und 2 Braukessel, jetzt aber nur 1 Kessel und 1 Malzhaus, vorhanden. Damals hat es in Alladorf und den anderen 3 Dörfern, welche der Wirt von Alladorf mit Bier zu versorgen hatte, noch nicht so viele Einwohner gegeben, als wie jetzt. Der Wirt zu Alladorf war daher damals im Stande, die 4 Dörfer mit Bier hinlänglich zu versorgen. In gegenwärtigen Zeiten ist hierzu aber keiner mehr im Stande. Kaum 2 Dörfer können jetzt noch von Alladorf aus ihr ordentliches Bier-Bedürfniss stillen. Ich habe daher ständig wegen des Biermangels Beschwerden erhalten und musste das Bier sogar von anderen entlegenen Orten herholen.
Wenn mir daher die ersuchende Konzession zur Erbauung eines Brauhauses hier zu Tannfeld allergnädigst erteilt würde, so wäre diese Erlaubnis zum Besten der Bürger und hauptsächlich auch im allerhöchstherrschaftlichen Interesse, da ich jährlich wenigstens 115 Eimer Bier zusätzlich hier in Tannfeld ausschenken könnte, als es bisher wegen Mangel an Bier oder wegen der weiten Entfernung zu anderen Bierorten möglich war. Diese 115 Eimer sind immerhin auch als Mehrung am Umgeld anzusehen, ohne dass dadurch dem Wirt in Alladorf der geringste Schaden zugefügt würde, welcher neben Tannfeld noch 3 ansehnliche Dörfer mit Bier zu versorgen hat und dies dann für die 3 Dörfer viel besser erledigen könnte, als er hierzu bei der Bier-Versorgung auf 4 Dörfer im Stande war.
Da Löhr gegen die Erbauung eines Brauhauses hier in Tannfeld nicht das Mindeste einzuwenden hat, habe ich den mir gehörigen, vormals Walter’schen Felsenkeller bereits wieder herstellen lassen. Bisher habe ich auch schon über 60 fränkische Gulden an Reparaturkosten aufgewendet und mir werden weitere Kosten von wenigstens noch 40 Gulden entstehen, bis er zur Einlagerung des Bieres im Sommer gebraucht werden kann. Wegen dem Biermangel in Alladorf habe ich schon mit einem ziemlichen Kostenaufwand brauen müssen und habe mich überdies bereits mit Fässern, Kufen und anderem Braugeschirr eingedeckt. Aus dem Sanspareiler Umgeld-Register ist zu ersehen, dass durch mich das Umgeld schon merklich vermehrt worden ist und darüber hinaus noch weit mehr Umgeld eingebracht werden kann, wenn ich hier in Tannfeld selbst brauen darf.
Also habe ich mich ermuntert, um die allergnädigste Konzession zur Erbauung eines neuen Brauhauses hier in Tannfeld wiederholt zu bitten. Mein Gesuch gründet sich auf Billigkeit und hat auch die Beförderung des allerhöchstherrschaftlichen Interesses ohne Nachteil für einen Dritten zum Gegenstand. Ich bitte daher um so mehr um allergnädigster Erhörung, als ich mich widrigenfalls in Anbetracht der schon hohen Kosten in großen Schaden versetzt sehen müsste und beharre dankverpflichtet in allerhöchster Ehrfurcht Euer Königliche Majestät.
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Erklärung des Johann Friedrich Löhr am 10. Mai 1798 im Amt Sanspareil:
Ich, Johann Friedrich Löhr, erkläre hiermit, dass ich mit der vom Viertelmann Müller zu Tannfeld vorhabenden Erbauung eines eigenen Brauhauses daselbst und Errichtung einer Brauerei, um dieses Dorf mit Bier zu versorgen, aus guten und wohlüberlegten Gründen vollkommen einverstanden und zufrieden bin. Ich habe auch nicht das Geringste dagegen einzuwenden, vielmehr sehe ich es gerne, wenn Müller die Konzession dazu erhält, weil ich mit der Bierversorgung für dessen Zapfenschenke keinen Nutzen verspür. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben.
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Schreiben vom 11. Mai 1798 vom Amt Sanspareil nach Bayreuth:
Euer Königliche Majestät haben uns die von dem Viertelmann Johann Müller zu Tannfeld eingereichte Bittschrift und Konzession zur Erbauung eines Brauhauses mit dem Befehl zukommen lassen, dass wir uns über die darin ausführlich vorgetragenen Umstände in ausreichender Weise unter Zurücksendung der Müller’schen Vorstellung äußern. Wir befolgen dieses hiermit, indem wir alleruntertänigst vortragen, dass alle die von besagtem Viertelmann Müller in dessen Bittschrift angebrachten Umstände der Wahrheit entsprechen und dass sein Vorhaben der Erbauung eines eigenen Brauhauses zu Tannfeld für gut und löblich anzusehen ist und für den ganzen Ort Tannfeld und alle dort durchwandernden Personen eine wahre Wohltat sei. Ferner ist diese Brauereierrichtung bei dem in dortiger Gegend nur allzu oft wahrgenommenen Biermangel wirklich als notwendig zu erachten, um das Publikum nicht länger am nötigen Bedarf des Bieres notleiden zu lassen, nachdem dieses für den Landmann fast die einzige Labsaal und Erquickung darstellt.
Ferner hat der Wirt Löhr zu Alladorf, welcher das Recht hat, die Müller’sche Zapfenschenke in Tannfeld mit Bier zu versorgen, nach seinen Äußerungen keine Nachteile angeführt und nicht das Geringste dagegen einzuwenden.
Wenn man bei allen diesen Umständen auch noch dazu berücksichtigt, dass hierdurch das merkliche Interesse der allerhöchsten Herrschaft nach Steigerung des Umgeldes erreicht wird, so können wir dieses von dem Viertelmann Müller vorgebrachte Gesuch um die Erlaubnis zur Erbauung eines eigenen Brauhauses in Tannfeld in allen Teilen für nichts Unrechtes ansehen, sondern glauben vielmehr, dass derselbe hierbei zu unterstützen sei.
Euer Königliche Majestät stellen wir also zur Allerhöchsten Disposition und Resolutionsabgabe alleruntertänigst anheim, ob dem Viertelmann und Zapfenwirt Müller sein Gesuch nicht allergnädigst bewilligt werden wolle.
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Antwort aus Bayreuth vom 21. Mai 1798 an das Amt Sanspareil / gez. Brendel:
Wir teilen auch auf den neu erstellten Bericht vom 11. dieses Monats mit, nach welchem der Wirt Löhr zu Alladorf seine Einwilligung dazu geben will, dass Müller die Hälfte der auf dem Löhr’schen Wirtshaus haftenden Steuern und Gefälle übernimmt, dass dieses Gesuch nicht genehmigt werden kann. Sollte der Wirt Löhr von seinem Ansinnen Abstand nehmen und die bisher auf seiner Wirtschaft und Brauerei haftenden Abgaben weiterhin entrichten, sind wir nicht abgeneigt, auf das Müller’sche Konzessionsgesuch Rücksicht zu nehmen.
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Vorsprache des Wirts Friedrich Löhr in Sanspareil am 05. Juni 1798:
Auf ergangener Vorladung erscheint der Wirt Friedrich Löhr von Alladorf mit dessen Taufpaten, den Müllermeister Johann Friedrich Wölfel, daselbst. Diesen beiden wurde die Entscheidung der Königlichen Kriegs- und Domainen-Kammer deutlich und langsam vorgelesen und auch der Inhalt desselben Schreibens besonders erläutert, worauf diese Folgendes verlauten:
Ich, der Wirt Löhr, erkläre mich hiermit einverstanden, dass die auf meinem Wirtshaus zu Alladorf haftenden Abgaben und herrschaftlichen Schuldigkeiten unverändert fortbestehen und ich weiter nichts von dem erwähnten Müller verlangen will.
Von Amts wegen hat man den ebenfalls auf heute bestellten Viertelmann Müller von Tannfeld herbeirufen lassen und auch denselben über den Inhalt des oben genannten Schreibens informiert. Nach langem Hin- und Herreden und Handeln wurde ihm dargelegt, dass er nämlich
> 30 fränkische Gulden Konzessionsgeld bezahlen,
> 4 fränkische Gulden bisheriges Taberngeld [kirchliche Abgabe] auf der Zapfenschenke ferner fortzahlen,
> die 2 fränkische Gulden von Löhr übernehmen,
> dann noch 10 fränkische Kreuzer für 1 Fastnachthenne
> 1 fränkischer Gulden Walburgis-Zins und
> 1 fränkischer Gulden Michaelis-Zins, dann
> 9 3/8 fränkische Gulden an Steuerfuß, desgleichen
> die Service und Fourage [veraltete militärische Bezeichnung für Pferdefutter, wie Hafer, Heu und Stroh]
alljährlich auf seine zu errichtende Brauerei übernehmen, das Umgeld aber nach den Kübel Maas bezahlen müsse. Vorgelesen, genehmiget und unterschrieben.
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Schreiben vom 07. Juni 1798 vom Amt Sanspareil nach Bayreuth:
Der Wirt Löhr zu Alladorf hat seine Einwilligung erteilt, wonach er nun auch mit der Beibehaltung der bisher auf seinem Wirtshaus haftenden Abgaben einverstanden ist, jedoch mit der einzigen Bedingung, dass der Viertelmann und Zapfenwirt Müller die von der ehemaligen Walther’schen Brauerei zu Tannfeld herrührende und auf seine Wirtschaft und Brauerei verlagerten 2 fränkische Gulden wieder von diesem übernommen werden müssen.
Was es mit diesen von der Walther’schen Brauerei auf das Alladorfer Wirtshaus verlagerten 2 fränkischen Gulden für eine Beschaffenheit habe, wird folgendermaßen erklärt. Ein vorher zu Tannfeld gewesener Wirt namens Eberhardt Walther hatte dort ein Brauhaus gebaut und auch wirklich eine Zeit lang selbst gebraut. Seine Vermögensumstände waren aber nicht die besten, weshalb er sich dabei arm gebaut hatte und die Sache nicht fortsetzen konnte. Er ging daher mit dem Alladorfer Wirt namens Häfner den Vergleich ein, seine Brauerei wieder still zu legen. Der genannte Häfner übernahm die auf die Walther’sche Brauerei lastende jährliche Abgabe von 2 fränkischen Gulden auf sein Wirtshaus zu Alladorf.
Der Viertelmann Müller hat sich nun auch damit einverstanden erklärt, dass derselbe:
1) 30 fränkische Gulden Konzessionsgeld entrichtet
2) 4 Gulden, welche bisher auf seiner Zapfenschenke als Taberngeld lagen, ferner fortbezahlt
3) 2 fränkische Gulden, welche von der stillgelegten Walther’schen Brauerei zu Tannfeld auf das Alladorfer Wirtshaus übernommen wurden, ab dann wieder zur alljährlichen Bezahlung auf sich übernimmt, ferner
4) 10 fränkische Kreuzer für eine Fastnachthenne
5) 1 fränkischer Gulden Walburgis-Zins und
6) 1 fränkischer Gulden Michaelis-Zins, dann
7) von 9 3/8 fränkische Gulden Steuerfuß alljährlich Steuer, Service und Fourage-Beitrag entrichten wolle.
Da sich die von Müller zu errichtende Brauerei nur auf den einzigen Ort Tannfeld erstreckt, der Wirt Löhr zu Alladorf hingegen drei Dörfer zu versorgen hat, sind wir der Meinung, dass die Offerte des ofterwähnten Viertelmanns und Zapfenwirts Müller hinreichend und annehmbar sein dürfte und stellen daher Euer Königliche Majestät zur Allerhöchsten Disposition untertänigst anheim, sein Gesuch allergnädigst bewilligen zu wollen.
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Antwort aus Bayreuth vom 13.06.1798 an das Amt Sanspareil:
Zu dem am 7. Juni erstatteten Bericht wird nun entschieden, dem Müller die erbetene Erlaubnis zur Errichtung einer eigenen Brauerei in Tannfeld unter den genannten Bedingungen zu erteilen, was ihr dem Bittsteller so zu erörtern habt.
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20.05.1811:
Nach der Besitzfassion vom 20.05.1811 gehört zu dem Kammeramts lehenbaren Halben Frohnhof in Tannfeld:
Ein Wohnhaus, welches mit Nr. 17 bezeichnet wird, meistenteils gemauert, ist eingädig mit Stallung und Scheune, ein Felsenkeller, samt dem Backofen und der Hofraith, ein Schorgärtlein, dann das besonders bebaute Bräu- und Malzhaus mit einer geringen Wohnung Nr. 42.
Das Brauhaus samt der Brauerei-Gerechtigkeit ist ganz neu errichtet worden.
Auf dem Haus haftet die Gastwirts- und Brauerei-Gerechtigkeit, sogleich auch die Brandwein-Brennerei.
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1815:
Der Einhalb-Hof und die verbleibenden Grundstücke gehen nach Lehenprotokoll Nr. 220 auf die Witwe Kunigunda Müller über, nachdem der Ehemann Johann Müller sen. am 28.03.1815 im Alter von 50 Jahren verstorben ist.
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26.03.1835:
Ein Johann Genk wird anlässlich der Geburt seines unehelichen Sohnes Johann Conrad als Metzger auf Haus-Nr. 17 in Tannfeld genannt. Am 18.06.1839 wird er anlässlich des Verkaufs von 2 Grundstücken an die Wirtswitwe Barbara Lauterbach von Alladorf, welche er vorher aus dem zerschlagenen Hof Haus-Nr. 18 in Tannfeld erworben hatte, auch als Wirt und bei seinem Tod am 17.04.1842 sogar als Metzger und Wirt auf Haus-Nr. 17 bezeichnet. Hieraus kann geschlossen werden, dass die Wirtswitwe Kunigunda Müller nach dem frühen Tod ihres Ehemannes Johann am 28.03.1815 mit Johann Genk einen erfahrenen Metzger und Brauer an der Hand hatte, um dieses Handwerk weiterführen zu können.
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16.02.1837:
Nach dem Briefprotokoll-Extrakt des königlichen Landgerichts Hollfeld erwarb Friedrich Eisenhut einen Platz, worauf früher das Malz- und Brauhaus gestanden hat, von Kunigunda Müller in Tannfeld. Hierbei handelte es sich um das Grundstück, worauf das heutige Wohnhaus Nr. 42 steht.
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26.07.1839:
Nach dem Handlohnsprotokoll vom 26. Juli 1839 hat die Wirtswitwe Barbara Lauterbach in Alladorf von der Wirtswitwe Kunigunda Müller in Tannfeld verschiedene Realitäten, darunter den Halben Hof Haus-Nr. 17 mit Gaststätte und Brauerei, um die Summe von 4.650 Gulden erkauft.
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Die weitere Entwicklung der Brauerei und Gastwirtschaft in Tannfeld nach 1798:
Die zwischen dem Alladorfer Gastwirt und Bierbrauer Friedrich Löhr und dem Viertelmann und Zapfenwirt Johann Müller in Tannfeld im Jahr 1798 getroffene Vereinbarung geschah vermutlich bereits mit dem Gedanken, dass Löhr beabsichtigte, in den Folgejahren sein Brauerei- und Gaststättenanwesen in Alladorf zu verkaufen. Denn am 27. Februar 1810 kaufte der aus Heinersreuth stammende Johann Adam Lauterbach das gesamte Anwesen in Alladorf von Löhr zum Kaufpreis von 4.700 fränkischen Gulden. Dieser Johann Adam Lauterbach verstarb aber bereits 2 Jahre später am 24.03.1812, so dass dessen Bruder Josef Wilhelm Lauterbach die Gaststätte und Brauerei im selben Jahr übernahm und fortführte. Dessen Witwe Barbara Lauterbach kaufte dann am 26.07.1839 von der Wirtswitwe Kunigunda Müller in Tannfeld verschiedene Realitäten, darunter auch den Halben Hof Haus-Nr. 17 mit der Gaststätte und Brauerei in Tannfeld, um die Summe von 4.650 fränkischen Gulden. Die Gaststätte und Brauerei blieb dann über mehrere Generationen (Johann Heinrich Lauterbach / Josef Wilhelm Lauterbach / Susanna Lang, geb. Lauterbach) im Familienbesitz. Die Folgen des Ersten Weltkrieges mit einer rigorosen Rohstoffverknappung verschonten auch die Braustätte in Tannfeld nicht. Im Jahre 1920 wurde daher der Braubetrieb eingestellt. Mit dem Tod des letzten Gastwirts Wilhelm Lang im Jahr 1982 wurde das Gasthaus nur noch sporadisch von dessen Ehefrau Margareta weitergeführt und dann schließlich im Jahr 1988 endgültig geschlossen und das Anwesen anschließend verkauft.